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Die grünen Neune

Im angelsächsischen Kräutersegen aus dem 11. Jahrhundert heißt es über Odin, Hauptgott der nordischen oder kontinentalgermanischen Mythologie: „Neun wundersame Zweige nahm er und schlug den giftigen Wurm, der da geschlichen kam, um einen Menschen zu zerreißen.“

Die grünen Neune
Drei mal drei Zauberpflanzen nahm der altheidnische Kräuterkundige gegen Gift und Ansteckung zur Hand. Mit ihnen wurde geheilt, gezaubert, Blitz und Teufel gebannt. Man trug die Kräuter als Kranz auf dem Haupt, goss ihre Abkochungen ins Badewasser, rührte sie in Salben hinein und räucherte mit ihnen.
Oft wurden diese Kräuter an besonders heiligen Tagen gesammelt oder zu besonderen Anlässen verwendet. So auch die Neun-Kräuter-Suppe, die bei den Germanen und Kelten fester Bestandteil des großen Fruchtbarkeitsfests zum Frühlingsbeginn war.
Die Neun-Kräuter-Suppe bestand aus den ersten frischen Pflanzen, die man fand. Drei mal drei Zauberpflanzen - für Schönheit, Gesundheit und Fruchtbarkeit. Nährende, magische, segnende oder heilige Pflanzen waren es. Sie sollten den Winter aus dem Körper vertreiben und Kraft für das neue Jahr spenden.
Die Zusammenstellung der Kräuter war je nach Region verschieden. Es waren recht häufige und bekannte Gewächse, von denen man die Hälfte wohl schon zwischen der Haustür und dem Gartentor fand. Voran die Brennnessel, welche als einzige in allen Regionen immer mit dabei war. Vermutlich war auch der würzige Gundermann, als eine den Germanen heilige Pflanze, eines dieser Kräuter. Welche Pflanzen sonst noch in die Kultsuppe hineinkamen, ist heute nicht mehr überliefert. Doch zumindest der Brauch der grünen Suppe zum Frühlingsbeginn hat sich bis heute in christianisierter Form erhalten. Noch heute isst man am Gründonnerstag vor Ostern eine Suppe aus frischen Kräutern.

Neun-Kräuter-Suppe
Rezepte für diese „Grüne Neune“ am Gründonnerstag gibt es viele. Abhängig von Region und Vorlieben variieren Pflanzenmischungen und Zubereitungsart. Natürlich hat auch Einfluss, wie früh oder spät Ostern fällt und welche Pflanzen dann schon wachsen.
Die Auswahl an möglichen Wildkräutern ist groß. Hier eine Auswahl: Gundermann, Giersch, Guter Heinrich, Spitzwegerich, Gänseblümchen, Sauerampfer, Vogelmiere, Pimpinelle, Scharbockskraut, Brennnessel, Taubnessel, Schafgarbe, Bärlauch, Brunnenkresse, Knoblauchsrauke, Löwenzahn, junge Birkenblätter, Rauke, oder Melde. Aber auch Küchenkräuter wie Schnittlauch, Kerbel, Petersilie, Liebstöckel, Thymian, Salbei oder Dill können durchaus mit hinein.
Letztendlich muss jeder selbst seine neun Lieblingspflanzen finden, welche ihm am besten schmecken oder einfach immer wieder neu variieren. Und warum eigentlich nur zum Gründonnerstag eine Kräutersuppe essen? Gerade jetzt im Frühjahr sollte man die frischen Gaben der Natur nutzen und Wildkräuter am besten jeden Tag genießen, denn sie haben eine reinigende und stärkende Wirkung auf unseren Körper und Geist und sind ideal, um unser Immunsystem zu stärken.
Auch bei der Zubereitung der Suppe gibt es unterschiedlichste Varianten. Hier ein Vorschlag:
Man nimmt die ersten neun essbaren Kräuter, die man findet, wenn man hinaus in die Natur geht und bereitet daraus eine Suppe.

Rezept für 2 Personen
2 Hände voll klein gehackter Kräuter (siehe oben)
2 TL Mehl
2 Tassen Milch
½ Knoblauchzehe
Muskat
Salz
1 EL Butter
1 TL Zitronensaft
1 TL geriebener Parmesankäse
Aus Butter und Mehl eine Schwitze anrühren und mit Milch ablöschen. Die klein gehackten Kräuter unterrühren, mit den Gewürzen abschmecken und mit Parmesan bestreuen.

Text: Constanze Zepperitz
Aus GÄSTEMAGAZIN Nr. 74, Frühjahr 2022

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